Warum Männer im Patriarchat Frauen Gewalt antun

Theweleit: Im Gewaltverhalten gibt es jede Menge Unterschiede. Ich würde eher betonen wollen die Unterschiede in der Sicht auf das, was so mit einem groben Wort Faschismus heißt. Eine der Erkenntnisse des Buches ist ja nicht – das wiederhole ich und betone ich im neuen Nachwort besonders –, dass Faschismus so ein Konglomerat von Ideen ist, die bestimmte Männer haben, sondern dass das Körperzustände sind: Leute mit Körperzuständen, die angsterfüllt sind – Angst ist auch immer Angst vor dem eigenen Inneren, die Angst vor dem Fremden, Angst vor dem Fremden in einem selber. Das projiziert man nach außen und versucht das Außen zu bekämpfen, weil man selber damit nicht klarkommt.

Der Kern des sogenannten Faschistischen ist Angst vor Körperauflösung – ob man nun ökonomisch bedroht ist, durch die Umgebung bedroht, aber man ist erst mal ein eigener unfertiger Körper, Fragmentkörper nenne ich das, ein Begriff aus der Kinderpsychoanalyse. Und dieser Fragmentkörper versucht seine Probleme, mit denen er psychisch integrativ nicht umgehen kann, durch Gewalt zu lösen. Das ist ein Phänomen, das zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten, in verschiedenen Formen, also die Übergänge zwischen den einzelnen Männlichkeiten sind fließend. Man kann nicht sagen, da ist der Faschist und hier bin ich selber, dem gegenüber, sondern das Buch will ein Bewusstsein für die eigenen Gewaltformen wecken, und das ist ein Ruf an das Verhalten im Alltag.

Abwehr des Demokratischen

von Billerbeck: Ein verkrampftes Verhältnis zur Sexualität und auch ein sehr eingeschränktes Frauenbild, das also Frauen immer in verschiedene Kategorien einteilt. Damals und heute, wenn wir sehen, da gibt es immer die Angst vor dem „Genderwahn“ – sind das zwei Seiten derselben Medaille oder greift das als Erklärungsmuster zu kurz?

Theweleit: Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Dieser Körper, den ich Fragmentkörper nenne, hält zum Beispiel Gleichheit nicht aus – ob das Gleichheit mit Frauen ist, Gleichheit mit Kindern. Diese ganze Abwehr des Demokratischen, die wir in der neuen Rechten sehen, das ist dieser Punkt, dass Gleichheit nicht akzeptiert wird. Dieser Typ will die Gesellschaft hierarchisch organisiert haben, mit klar oben und klar unten und der eigenen Position da drin. Und oben in diesem Konstrukt sind für diesen Typ Männer, ist eine bestimmte Männlichkeit.

Diese Menschen nennen das ja auch natürlich, ihr Gewaltverhalten, sie stellen das natürliche Verhältnis wieder her, sagen sie, dass der Mann oben ist. Das ist eine Umsetzung dieser Angst, mit der sie nicht umgehen können, in gesellschaftlich gewalttätige Ordnung. Jeder, der das hört, weiß, das ist ein Dauerproblem im Alltag. Ob das im Betrieb so ist, wo Frauenrechte nicht anerkannt werden und Frauen schlechter bezahlt werden. Im Journalismus sind Frauen zwar einigermaßen präsent, aber in vielen anderen Berufen müssen sie Arbeiten machen, die keiner machen will, in Kindertagesstätten et cetera. Man kann nur ständig daran arbeiten, die Aufmerksamkeit dafür zu erhöhen, und darin liegt auch die Aktualität des Buches.

Andere Gewalt von Frauen

von Billerbeck: Nun heißt das Buch ja „Männerphantasien“, wir wissen aber auch, es gibt auch rechte und gewalttätige Frauen. Was ist mit denen?

Theweleit: Es gibt so gut wie keine gewalttätigen Frauen auf der Ebene dieser männlichen Gewalt, die im Kern ja auch von Körperzerstörung ausgeht. Fremde sollen weg – das sind Todesdrohungen. Und die Übergriffe, die wir sehen, stellen blutige Masse, blutigen Matsch, wie ich das nenne, her aus diesen Körpern, und diese Form von weiblicher Gewalt findet man auf der Welt so gut wie nirgendwo. Die Gewalt, die Frauen ausüben, läuft ganz anders.“

Quelle:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/klaus-theweleit-ueber-maennerphantasien-die-angst-vor-der.1008.de.html?dram%3Aarticle_id=462394&fbclid=IwAR3NS-c3tDai9Vuecp5bhdfI5z0pZ-HxeankrTS9uwq8wDodwB8SVfV2WoI

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Das Lust Dilemma bei sexueller Traumatisierung

„Wenn ehemalige Opfer (Männer wie Frauen) sexueller Gewalt sich prostituieren, machen sie sich selbst und ihre „Freier“ zum Opfer. Sie sind Täter an sich und bestrafen sich unaufhörlich mit ständiger Wiederholung der Taten von früher. Sie instrumentalisieren dafür traumatisierte Menschen, manchmal sogar mit der Idee es nun allen Männern oder allen Frauen heimzuzahlen. Sie fühlen sich dann als Machtperson, die die Fäden in der Hand hat, übersehen dabei, in doppelter Täterschaft sowie im Opfersein gefangen zu sein. Die gleiche Dynamik finden wir bei Menschen, die zu Prostituierten gehen, um mit ihnen Sex haben.“